Was ich von hier aus sehe? Das ist schnell erklärt: einen Stehtisch und zwei Barhocker. Und das bei mir zu Hause. Ich rede da von meinem provisorischen Homeoffice. Eingerichtet auf meinem Steh-Esstisch.
Ich bin ja jemand der gerne unter Leute geht, sich mit Freunden trifft und das auch gerne mal in einer Bar. Das heißt, Stehtische und Barhocker sind mir nicht fremd. Normalerweise steht dann aber ein köstlicher Drink – vorzugsweise ein Caipiroska– vor und nette Freunde neben mir. Und jetzt? Vor mir sehe ich einen Laptop, einen Bildschirm und eine Tastatur. Und neben mir? Gähnende Leere.
Und das ist auch gut so. Wenn ich da an meine berufstätige Freundin im Homeoffice mit pubertierender Tochter im Alter von 12 Jahren denke. Sie hört das Wort Mama, oft auch Maaaammmaaaa, in diesen Tagen öfter als ihr lieb ist. Da bin ich dann doch sehr froh, dass ich tagein, tagaus auf meinem Barhocker sitze und neben mir eine schöne, ruhige, gähnende Leere.
Und mal ehrlich, wer hat schon das Glück jeden Tag auf einem Barhocker zu sitzen und dafür bezahlt zu werden? Ok, statt Caipiroska gibt’s Wasser. Aber hier kann ich ja ehrlich sein: Gegen Abend wird das Wasser oft gegen ein Glas Prosecco getauscht. Dann sitze ich auf meinem Barhocker, mit einem Glas Prosecco, im Hintergrund läuft der Fernseher mit der Geräuschkulisse einer vollen Bar. So macht Homeoffice Spaß.
Und noch was Gutes hat dieses Homeoffice: Meine Highheels, die ich – wie jeder der mich kennt weiß, sehr liebe und täglich im Büro trage – halten jetzt deutlich länger als nur eine Saison und meine teuren Schmink-Utensilien kommen nur noch zum Einsatz, wenn ich Besuch bekomme. Bevor jetzt jemand denkt, ich halte mich nicht an die Regeln und empfange Besuch: Mit Besuch meine ich den Postboten, der mir meine bestellten Einkäufe bringt. Ich muss gestehen, dass ich den Postboten dadurch in letzter Zeit sehr häufig sehe. Gott sei Dank wohne ich im ersten Stock, sonst würde mir der Kerl echt leid tun. Er hat im Moment wirklich viel zu tun mit mir. Bis vor kurzem kannte ich den nicht einmal. Vermutlich ist er schon seit Jahren mein zuständiger Postbote, aber erst durch Homeoffice durfte ich ihn persönlich kennen lernen. Wer also sagt, durch die Ausgangsbeschränkungen lernt man keine neuen Leute kennen, irrt. Ich habe meinen Postboten kennengelernt. Na gut, er ist jetzt nicht der Typ, dem ich den zweiten Barhocker an meinem Stehtisch anbieten würde, aber er bringt mir mindestens 1 mal wöchentlich ein schönes Päckchen und ich fühle mich wie zu Weihnachten, wenn ich es aufreißen darf.
Also ich persönlich finde Homeoffice und die gähnende Leere neben mir, gar nicht so schlecht. Und damit tausche ich das Wasser gegen das Glas Prosecco. Es ist zwar erst 13:42, aber das ist deutlich näher zum Abend als zum Morgen. In Zeiten wie diesen gelten schließlich auch andere Regeln. Oder wie seht Ihr das?
(c) Martina Frühjahr 2020